Spiritualität und Pilgern

Der Begriff Spiritualität geht zurück auf das lateinische "spiritus", das für "Geist/Hauch" und "Bewegung" steht. Im weitesten Sinne bezeichnet Spiritualität eine Form von Geistigkeit, die im Gegensatz zum rationalen Denken steht.

Spiritualität als sichtbare Lebensform steht für die lebendige Verbindung zum Göttlichen in der Vorstellung sind Gott und Seele hier in "Bewegung", d.h. sie bewegen sich aufeinander zu, sind auf dem Weg zueinander. Damit ist alles Festhalten, Vorsorgen, Stehen bleiben und ängstliches Zagen nicht nach dem Willen Gottes. Dagegen ist Aufbrechen, neugierig sein, Neues wagen, seinen Weg finden und Grenzen überschreiten genau nach Gottes Willen. Hier darf man von einer "Heiligen Unruhe" sprechen, die sich auch in der Entscheidung für das Pilgern manifestieren kann. Der Pilger macht sich auf den Weg und ermöglicht so ein ein besonderes Erleben seiner Beziehung zu einer höheren Wirklichkeit.

Schließlich geht auch Jesus durch das Land, er residiert nicht, sondern agiert und schickt seine Jünger aus in die Welt. Auch die Jünger erlauben sich keinen Stillstand und machen sich auf den unbekannten, gefahrvollen Weg, um am Reich Gottes mitzubauen. Aber auch, weil sie mit der Botschaft von Jesus nicht allein bleiben können, machen sich Paulus und die anderen Jünger auf den Weg.

Der moderne Pilger ist auf dem Weg mit all seinen Fragen, Zweifeln und der Sehnsucht nach Erkenntnissen in einer immer undurchsichtigeren Welt, Pilgern ändert den Menschen, weil es Gemeinschaft erleben lässt, die eigenen Grenzen aufzeigt und damit stark macht. Auf diesen Wegen kann man Leben in der Tiefe erfahren und gerade durch das Erfahren der eigenen Grenzen erkennen: Leben ist immer begrenzt und nie vollkommen. Aber mit Gottes Hilfe ist Leben auch immer zielgerichtetes Wandern. Pilgern kann unsere Einstellung zum Leben verändern; so dass wir Freude am Leben finden und nicht sagen: "Ich muss leben", sondern "Ich darf leben".

Die Gedanken und Gebete zum Thema Pilgern stammen von Pfarrer Klaus F. W. Steinweg, Mitglied im Verein Pilgern bewegt.
Zur Person: geboren 1944, verheiratet, sieben erwachsene Kinder, nach dem Studium der Ev. Theologie in Heidelberg bis zur Pensionierung evangelischer Gemeindepfarrer in Oldenburg und Westfalen. Mit der Gründung der evangelischen Kurseelsorge in Bad Zwischenahn 1973 beschäftigte er sich bereits mit Pilgerreisen. Aus seiner Gemeindearbeit entstanden verschiedene Handreichungen für die Gemeindearbeit. Nach der Pensionierung erfüllte Klaus Steinweg sich einen Lebenstraum: Der Rom-Kenner pilgerte in seine Lieblingsstadt und beschrieb seine Erlebnisse in "Pilgerweg - auf neuen Wegen von Westfalen nach Rom" (siehe Literaturtipps)